Die Rollstuhl-Leichtathletin Manuela Schär fährt in ihrem letzten Rennen auf der Bahn noch einmal um die Medaillen. Die Luzernerin qualifiziert sich an den Paralympics in Paris über 400 m souverän für den Final.
Schär, die im Stade de France schon Gold über die doppelte Distanz geholt hat, gewann in der Kategorie T54 ihren Vorlauf; insgesamt stellte sie die zweitbeste Zeit aller Athletinnen auf. Alexandra Helbling und Licia Mussinelli hingegen verpassten die Finalqualifikation deutlich. Der Final findet am Donnerstagabend um 19.35 Uhr statt.
Kurz davor greift über die eine Bahnrunde in der Kategorie T53 auch Catherine Debrunner nach einer Medaille. Es wäre für die Thurgauerin die fünfte in Paris.
Mit Marcel Hug hat die Schweiz sogar noch einen dritten Trumpf im Ärmel. Der Weltrekordhalter strebt über 800 m als Drittschnellster in den Vorläufen den paralympischen Hattrick an. 2016 in Rio wie auch 2021 in Tokio hat Hug über die zwei Bahnrunden triumphiert. In Paris wartet er nach Silber über 5000 und 1500 m noch auf sein siebtes paralympisches Gold.
Keine Medaille für Schweizer Handbiker
Die Schweizer Handbiker verpassen an den Paralympics in Paris im Strassenrennen die Medaillen. Fabian Recher fährt in der Kategorie H4 in den 5. Rang.
Recher hielt sich auf dem 56,8 km langen Parcours bei Dauerregen lange auf Medaillenkurs. Er befand sich im Kampf um den 3. Platz mit dem Belgier Jonas van de Steene, als dieser in einer Kurve stürzte. Dadurch geriet auch Recher aus dem Rhythmus und musste zudem vor der letzten Runde kurz anhalten, um sein Bike reparieren zu lassen.
Auf den Bronzeplatz des Polen Rafal Wilk verlor er 1:06 Minuten. So zeigte sich der 25-jährige Berner Oberländer im Ziel enttäuscht, auch wenn er seinen Steigerungslauf an Paralympischen Spielen fortgesetzt hatte. Am Mittwoch war der Spiezer im Zeitfahren Sechster geworden, nachdem er drei Jahre zuvor bei seiner paralympischen Premiere in Tokio für seine zwei 7. Plätze bereits zwei Diplome gewonnen hatte.
Recher hat als erster Rollstuhlfahrer die Spitzensport-RS absolviert. Im Mai gewann er in Belgien sein erstes Weltcuprennen.
Sandra Stöckli und Benjamin Früh konnten in ihren Rennen bei schwierigen, weil nassen Verhältnissen nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen. Die St. Gallerin wurde mit einem Rückstand von rund zweieinhalb Minuten aufs Podest Achte, der Zürcher stieg nach einer Überrundung aus. Beide mussten in einer Kategorie mit weniger stark beeinträchtigten Athletinnen und Athleten starten.
Viertes Paralympics-Gold für Catherine Debrunner
Catherine Debrunner holt in ihrem fünften Final an den Paralympics die vierte Goldmedaille. Die 29-jährige Thurgauerin gewinnt in der Kategorie T53 in ihrer Lieblingsdistanz über 400 m in paralympischer Rekordzeit souverän.
Mit 51,60 stellte Debrunner eine paralympischen Rekord auf. Die zweitklassierte Britin Samantha Kinghorn distanzierte sie um 1,85 Sekunden.
Für Debrunner enden damit die paralympischen Bahnrennen mit der optimalen Ausbeute. In allen Rennen, in denen sie als Favoritin angetreten ist, gewann sie. Über 100 m hatte sie in ihrer nominell schwächsten Disziplin neben der starken britischen Sprinterin Kinghorn nicht wirklich damit gerechnet, realistische Chancen auf Gold zu haben. Silber war damit das Optimum.
«Ich bin sehr froh, konnte ich noch einmal Kräfte mobilisieren,» sagt Debrunner. «Aber heute haben schon alle gemerkt, dass es eine intensive Zeit war.» Die Ostschweizerin hatte seit Beginn ihrer Wettkämpfe nie einen Tag Pause. Umso bemerkenswerter, mit welcher scheinbaren Selbstverständlichkeit Debrunner ihre Runden abspult.
Sie habe schöne, lange Bewegungen machen können und sich nicht verkrampft, sagt die nunmehr fünffache Medaillengewinnerin dieser Paralympics. «Flugmodus» nennt sie das, wenn sich ihre Bewegungsabläufe derart natürlich anfühlen, dass sie praktisch über die Strecke fliegt.
Nun hat Debrunner schon viermal die Glocke des Stade de France läuten können. Eine Ehre, dass den Siegerinnen zuteil wird. «Es ist wirklich ein super Ritual so ein riesiges Stadion aufzuwecken», sagt sie, die nun zwei Tage Pause geniesst, ehe der Marathon durch die Pariser Innenstadt ansteht. «Ich freue mich extrem auf dieses Rennen, aber ich bin froh, ist es noch nicht morgen.»
Manuela Schär verpasst Gold hauchdünn
Manuela Schär verpasst ihre zweite Goldmedaille dieser Paralympics hauchdünn. Die 39-jährige Luzernerin gewinnt in der Kategorie T54 über 400 m Silber.
Manuela Schär sagte dieser Tage in Paris immer wieder, dass sie keine gute Sprinterin sei. In ihrem allerletzten Bahnrennen legt die 39-Jährige aber einen Schlussspurt hin, der ihr beinahe einen goldenen Schlusspunkt beschert hätte. «Wenn die Bahn fünf Meter länger wäre, wäre ich vielleicht noch einmal herangekommen», sagt Schär, nachdem sie die Belgierin Léa Bayekula bis auf neun Hundertstel eingeholt hatte.
Die Luzernerin trauert aber nicht der Goldmedaille nach, sondern freut sich darüber, ihr letztes Bahnrennen mit einer Silbermedaille zu krönen. Und Schär verspürt auch keine Wehmut, dass sie nach über 20 Jahren auf der Bahn nie mehr in so einem eindrucksvollen Stadion wie dem Stade de France ihre Runden drehen wird. «Mir war immer wichtig, den Moment, in dem ich kürzertrete, selber wählen zu können. Es hat sich immer richtig angefühlt.»
Zumal die paralympische Zeit als Athletin schon stressig sei, mit dem konstanten Wechsel von Anspannung und Erholung. Künftig wird sich Schär auf die Marathondistanz konzentrieren. Es ist ihre Lieblingsdisziplin. Deshalb hofft sie auch, am Sonntag beim abschliessenden paralympischen Marathon um die Medaillen zu fahren.
«Es wird sicher ein spannendes Rennen. Ich freue mich darauf.»
Der grandiose Schlussspurt des Marcel Hug
Marcel Hug bestätigt in der für ihn schwierigsten Disziplin seine Topform. Der 38-Jährige sichert sich mit Bronze über 800 m seine dritte Medaille an den Paralympics in Paris.
Es war Nervenkitzel pur. Extrem schnell war ins 800-m-Rennen der Männer gestartet worden, ganz besonders von den beiden Chinesen, und das kam Marcel Hug naturgemäss nicht entgegen. Und so befand sich der Ostschweizer auch nach 600 Metern noch in den letzten Positionen, ehe er zu einem gewaltigen Schlussspurt ansetzte. Auf den letzten Metern zog er schliesslich noch am Briten Nathan Maguire vorbei und sicherte sich so Bronze. Mit dem Mini-Vorsprung von 11 Hunderststeln.
Marcel Hug strahlte danach in der Mixed Zone: «Ich bin sehr zufrieden. Die Chinesen sind wahnsinnig stark, aber den Rest vom Feld habe ich geschlagen. Mir sind die Arme fast abgefallen, sie haben recht gebrannt, aber wohl beim einen oder anderen Kontrahenten auch.»
Marcel Hug und die 800 Meter, das ist trotz seiner Defizite beim Start eine ganz besondere Beziehung. Über die zwei Bahnrunden gewann er in Athen 2004 einst eine seiner ersten beiden Paralympics-Medaillen, und mit Ausnahme der Spiele in Peking 2008 war er seither bei jedem wichtigen Rennen auf dem Podest. «So habe ich das noch gar nie betrachte»", sagte er nach seiner 15. Paralympics-Medaille lächelnd, «aber es ist schön, dass ich auch zu dieser Distanz eine gute Beziehung habe.»
Drei Rennen, drei Medaillen: Eine hervorragende Bilanz für den 38-Jährigen, der die leise Auftakt-Enttäuschung bestens weggesteckt hat, als ihm auf den Schlussrunden die 5000-m-Goldmedaille noch entglitten war. «Ich bin zufrieden, gerade über 800 Meter, aber auch über 1500 Meter habe ich das Optimum herausgeholt», erklärte Hug.
Und eine weitere positive Nachricht: Das Ziel von einer Goldmedaille, das er selber vor den Spielen ausgegeben hatte, kann er immer noch erreichen. Seine Paradedisziplin folgt mit dem Marathon am letzten Wettkampftag am Sonntag, und dass seine Form stimmt, hat er nun eindrücklich bewiesen.
Die Zuversicht stimmt jedenfalls: «Ich bin gut vorbereitet, und das Material wird auch passen und auch von den Marathons im Frühling kann ich Selbstvertrauen mitnehmen. Und von der Distanz her heisst es bei mir: Je länger, desto besser.»