• de
    Bauen
    25.1.2023

    Ein unattraktives Angebot – aber das überrascht nicht

    300 von 730 SBB-Bahnhöfen sind trotz zwei Jahrzehnten Schonfrist noch immer nicht behindertengerecht. Der geplante Taxiservice ist das jüngste Kapitel einer unrühmlichen Geschichte.

    Die SBB suchen per Ausschreibung eine Firma, die in ihrem Auftrag ab nächstem Jahr Personen mit Gehbehinderung befördert. Wer mitfahren will, muss zwei Stunden im Voraus anmelden, dass er oder sie von einem Bahnhof ohne Infrastruktur für Rollstuhlfahrer zu einem Bahnhof mit Infrastruktur für Rollstuhlfahrer gefahren werden will.  

    Gemessen an dem, was man bisher weiss, handelt es sich hier um ein unattraktives Angebot. Man fragt sich, ob überhaupt das Ziel ist, dass es oft genutzt wird.

    Es ist das bezeichnende jüngste Kapitel eines Ringens, bei dessen Betrachtung sich der Eindruck aufdrängt, dass es die SBB mit der Gleichstellung der Menschen mit Behinderung nicht wirklich ernst meinen. Laut dem dazugehörenden Gesetz von 2002 müssten sie bis Ende 2023 unter anderem alle ihre Bahnhöfe rollstuhlgängig umbauen. Gelingen wird ihnen das aber nur bei 430 von 730 Haltestellen. Das betrifft neben Rollstuhlfahrern übrigens auch Reisende mit Kinderwagen oder Gepäck.

    Viele Menschen mit Behinderung fühlen sich von den SBB alleingelassen: Rollstuhlfahrerin am Bahnhof Baden. Foto: Gaëtan Bally (Keystone)

     

    Vor vollendete Tatsachen gestellt
    Bei den 300 SBB-Bahnhöfen, die noch umgebaut werden sollen, sind von der Einreichung des Projekts bis zur Fertigstellung meist weniger als drei Jahre eingeplant. Nochmals: Die SBB hatten über 20 Jahre Zeit. Der Konzern verteidigte sich im Dezember in einer Mitteilung trotzdem mit dem Argument, in der geforderten Frist seien die Umbauten nicht möglich gewesen. Kein Eingeständnis eines Fehlers, keine Entschuldigung.  

    Die SBB stellen die Betroffenen zudem wiederholt vor vollendete Tatsachen: 2010 kauften sie mit dem Schüttel-Doppelstöcker FV Dosto einen Zug, dessen Einstiegsrampen einen zu steilen Winkel aufwiesen, als dass Rollstuhlfahrerinnen sie selbstständig hätten befahren können. Der Konzern wehrte sich gegen die Kritik, bis das Bundesgericht ihn vor einem Jahr zu einer Anpassung zwang.

    Jetzt also arbeiten die Verkehrsunternehmen unter Leitung der SBB Übergangsmassnahmen für die Bahnhöfe aus, die nicht fristgerecht umgebaut wurden; der Taxidienst wird ein Teil davon sein. Die Behindertenorganisationen wurden, obwohl sie insistierten, nicht mit an den Tisch geholt.

    Info Thuner Tagblatt

    Info Berner Zeitung: