Hindernisfreier Arbeitsplatz

Wenn Betroffene nach einem Unfall an ihre Arbeitsstelle zurückkehren, benötigt es oftmals bauliche Anpassungen.

Der berufliche Wiedereinstieg ist bereits bei der Erstrehabilitation ein Thema. Hier wird erkannt, ob es eine bauliche Anpassung des Arbeitsplatzes benötigt, wenn der oder die Betroffene zum bisherigen Arbeitgeber zurückkehren möchte. Ein Bedarf kann sich aber auch auf Grund von Veränderungen des Gesundheitszustands ergeben. Um diesen Bedarf abzuklären, organisiert die zuständige Person der Ergotherapie eine Begehung des Arbeitsplatzes. Die Architektinnen und Architekten vom Zentrum für hindernisfreies Bauen (ZHB) in Muhen wer­den beigezogen. Sie halten nach der Besichtigung die Massnahmen in einem Bericht fest, der auf Wunsch auch eine Kostenschätzung enthält. 

Zugang zur Arbeitswelt
Damit Menschen mit Behinderung gleichberechtigt in der Gesellschaft mitwirken können, ist der Zugang zum Arbeitsmarkt ungemein wichtig. Das hält auch die UNO-Behindertenrechtskonvention fest. Dass dies oftmals ein beschwerlicher Weg ist, zeigen die beiden Beispiele.

Fallbeispiel 1: Detailhandel

Frau A. ist seit 2014 gehbehindert und arbeitet an der Kasse eines Schweizer Grossisten. Weil sich ihr Gesundheitszustand verschlechtert hatte, ist sie vermehrt auf ei­nen Rollstuhl angewiesen und begab sich zur erneuten Behandlung ins Schweizer Paraplegiker-Zentrum. Zusammen mit der Ergotherapie der Klinik und der Hilfsmittelberatung SAHB besichtigten wir den Arbeitsplatz der Patientin. Die Wiederaufnahme der Berufsarbeit war für den 23. November 2022 geplant.

Kassenarbeitsplatz 
Das ZHB hat an der Bauberatung alle relevanten Räume besichtigt und Vorschläge zur individuellen hindernisfreien Anpassung gemacht. Damit Frau A. vom Kundenbereich, wo sich ihr Kassenarbeitsplatz befindet, in den Mitarbeitendenbereich gelangen kann, benötigt es einen Treppenlift. Nachdem wir ein detailliertes Protokoll erstellt hatten, das den gegenwärtigen Zustand festhielt, sowie eine Auflistung der erforderlichen Anpassungen (Treppenlift und Türautomation), war die kostenlose Bauberatung abgeschlossen. Das Projekt wurde an den Detailhändler zur Umsetzung übergeben.

Meine Bemühungen an meinem Arbeitsplatz dauern schon geschlagene dreieinhalb Jahre.
Frau A.
Arbeitnehmerin

Im Dezember 2022 setzte sich der firmeninterne Bauleiter und die Vertretung der Sozialberatung des Detailhandelsunternehmens mit unserer Kundin in Verbindung. Die Offerten wurden eingeholt und der Arbeitgeber hat sich entschieden, die Umbaumassnahmen vorzufinanzieren, mit der Absicht, ein Gesuch bei der zuständigen IV-Stelle einzureichen. Dabei unterstützten ihn ParaWork und das ZHB. Ein IV-Entscheid ist bis heute (Stand Anfang April) noch nicht bekannt – dies vier Monate nach dem geplanten Arbeitsbeginn. Der Umbau des Arbeitsplatzes inklusive Treppenlift beginnt dann hoffentlich so bald wie möglich.

Fallbeispiel 2: Flughafen

Der Arbeitsplatz von Herr B. befindet sich im Sicherheitsbereich eines Schweizer Flughafens. Bevor das Gelände betreten oder verlassen werden kann, ist eine genaue Per­sonenkontrolle nötig, analog den Flugpassagieren. Im unteren Geschoss (Hochparterre) hat es Arbeitsplätze mit Bildschirmen. Hier wird der ganze Betrieb überwacht und kontrolliert. Im Obergeschoss sind die regulären Büroarbeitsplätze. Herr B. hat sowohl im Hochparterre als auch im Obergeschoss je einen Arbeitsplatz.

Anpassungen 
Am 3. Dezember 2021 besichtigte das ZHB gemeinsam mit Herrn B., seiner Ergotherapeutin, dem Berufscoach von ParaWork und Vertretenden des Sicherheitsunternehmens sowie der SAHB den Arbeitsplatz. Auch in diesem Fall erstellte das ZHB ei­nen ausführlichen Bericht mit konkreten Anpassungsvorschlägen. Diese beinhalteten Anpassungen des Zugangs und der Toiletten, einen Treppenlift und die Automation der Türen. Zudem erstellte das ZHB im vorliegenden Fall eine Grobkostenschätzung der baulichen Massnahmen und holte eine Offerte eines Treppenliftbauers ein.

Abgewiesen
Mit diesen Unterlagen zusammen mit der Hilfsmittelbegründung der Ergotherapie wurde bei der IV ein Gesuch eingereicht. Schnittstelle zur IV ist in der Regel die SAHB, welche ihrerseits eine Expertise an die IV erstellt. Am 6. Juli 2022 wurde das Gesuch von der zuständigen IV-Stelle abgewiesen. Gemäss einer früheren Baubewilligung sei das Gebäude gemäss Behindertengleichstellungsgesetz hindernisfrei. Das Institut für Rechtsberatung der SPV sprach ein und die IV revidierte am 7. März 2023 ihren Entscheid teilweise. Das Planungs- und Bauleitungshonorar wurde nicht bewilligt, obwohl Aussentreppenlifte im vorliegenden Kanton eine Baubewilligung benötigen. Dieser Entscheid trifft fast anderthalb Jahre nach der Arbeitsplatzabklärung ein. Ein für den arbeitswilligen Betroffenen und auch für seinen Arbeitge­ber unhaltbarer Zustand. In einem Betrieb wie im vorliegenden Fall ist es wichtig, dass sich Fachpersonen, die mit den hohen Sicherheitsstandards vertraut sind, um solche Bauprojekte kümmern. Wir sind der Auffassung, dass der Aufwand für Planung und Bauleitung im selben Rahmen wie die Baukosten von der IV übernommen werden sollten.

Vorfinanzierung 
Dank der Schweizer Paraplegiker-Stiftung und dem Arbeitgeber, welche sich im Rahmen einer unbürokratischen Vorfinanzierung an den zurzeit ungedeckten Kosten be­teiligen, ist nun der Umbau in Planung und kann hoffentlich bald umgesetzt werden. Ob bei der IV-Stelle noch einmal Einsprache erhoben wird, ist zurzeit in Abklärung.